Was bot das Bezirkstreffen
der GEW Oberfranken am 12. Nov. 2022?
Nach der herzlichen Begrüßung durch Andi Hartmann
beeindruckte Kerstin Lucia Franke, Mitglied im Bezirkspersonalrat
und im Vorstand der GEW Oberfranken, mit aktuellen Zahlen zum
Personalmangel in pädagogischen Berufen. Jahrzehntelang hatte
die Landesregierung die Warnungen der GEW ignoriert, zu wenig
voll ausgebildete Junglehrer* angestellt und Tausenden von ihnen
die Hoffnung genommen, im staatlichen Bildungsbereich arbeiten
zu können. Nun fehlen diese Pädagogen* an allen Ecken und
Enden, wodurch die vielfältigen Aufgaben in den Schulen nicht so
erfüllt werden können, wie von der Gesellschaft erwartet:
In der intensiven Diskussion zu Kerstins Referat bestätigten die
Kollegen* die Folgen dieser kurzsichtigen Personalpolitik:
großenteils unbezahlte Mehrarbeit und dann auch noch die
radikale Kürzung individuell entlastender Teilzeitmöglichkeiten.
So führen Überlastung und Erkrankungsfälle zu erhöhter
Belastung der Kollegien. Falls die Landesregierung diesen
Teufelskreis durchbrechen will, muss sie unverzüglich die
Forderungen der GEW umsetzen:
Am Nachmittag des GEW-Bezirkstreffens entschieden sich die
Teilnehmer* zwischen zwei Arbeitskreisangeboten. Angelika
Edelmann erprobte ihre langjährigen Erfahrungen beim
Philosophieren mit Kindern nun im Kreis der Kollegen* mit dem
zentralen Thema GLÜCK.
Kerstin lud im Nebenraum ein zu einer Reise zu den eigenen
Ressourcen, die im Beruf weitertragen und trotz widriger
Umstände Kraft geben – mit dem schönen Titel KOMM, WIR
FINDEN DEINEN SCHATZ!
Da in der Diskussion nach dem Referat von Kerstin nicht genügend Zeit für alle Kommentare blieb, ist hier Platz für Ergänzungen:
K 1: Beim Anteil der Unterrichtsausfälle kommen Gewerkschaften und Regierung regelmäßig zu weit auseinanderliegenden Angaben. Während die KollegInnen den Mangel laufend miterleben, hat die Schulverwaltung kein Interesse an der wirklichkeitsnahen Weitermeldung ans Ministerium und vermeidet, Grauzonen ("Mitführung", "Stillbeschäftigung" ...) als Ausfall zu bezeichnen. Die gering gehaltene Prozentzahl ausgefallenen Unterrichts soll wohl vortäuschen, das Problem sei vernachlässigbar, erfordere also keine Gegenmaßnahmen.
K 2: Nach meinem Beitrag, gerichtet vor allem an die anwesenden angehenden LehrerInnen, sich zu trauen,
auch mal Nein zu sagen, falls die zu erledigenden Aufgaben einfach zu viel werden und nur mehr unter immensem zusätzlichen Zeit- und Energieaufwand erledigt werden können, antwortete ein Kollege, man
sollte in so einem Fall eher zur Subversion übergehen.
Hierzu meine ich, dass es nicht der richtige Weg sein kann, im Vertretungsfall – und auch sonst - laissez-faire zu agieren, da dies auf Kosten der SchülerInnen geht - und auf Kosten
der KollegInnen, die danach in solchen Klassen immense Anstrengungen aufwenden müssen, um wieder eine adäquate Lernatmosphäre herzustellen.
K 3: Überforderung und burn out entstehen nicht so leicht, wenn Lehrkräfte die Schwächen (zu wenig Personal) und Widersprüche (Notenvorschriften, fremdbestimmte Lehrpläne...) des dt. (und besonders des bay.) Schulwesens als regierungsverschuldet erkennen, welche sich durch zusätzliches persönliches Engagement nicht kompensieren lassen. Lehrkräfte sollten sich mit vollem Einsatz den Aspekten der Arbeit widmen, die tatsächlich in der persönlichen Verantwortung liegen (stets versuchen, Vorbild zu sein für freundliche Umgangsformen, für Hilfe statt Abwertung, für Einfühlungsvermögen statt Unterrichtsvollzug…), sich dabei aber nicht verausgaben oder an widersprüchlichen Anforderungen verzweifeln. Die (9.) Forderung „Unterrichts- und Schulstrukturen verändern“ sollte entsprechend konkretisiert werden.
Der Krieg Russlands gegen die Ukraine ist durch nichts zu rechtfertigen, er ist völkerrechtswidrig und aufs Schärfste zu verurteilen. Er bedeutet unendliches Leid für die Menschen in der Ukraine, aber auch für russische Soldaten, die ihr Leben lassen müssen.
Dieser Krieg muss sofort beendet werden oder es muss zumindest schnellstmöglich eine Waffenruhe herbeigeführt werden. Wie Militärexperten (z. B. Oberstleutnant a. D. Jürgen Rose, Brigadegeneral a.D. Erich Vad, Oberst Jacques Baud) oder z. B. auch der Politik- und Wirtschaftsberater Michael Lüders feststellen, kann die Ukraine den Krieg auch durch Waffenlieferungen des Westens militärisch nicht gewinnen. Auch ein gigantisches Aufrüstungsprogramm in Deutschland und anderen NATO Staaten, Kriegsrhetorik à la Baerbock werden den Krieg nicht beenden, genauso wenig immer schärfere Sanktionen. Auch wenn diese längerfristig Russland schaden, so treffen sie aber vor allem die russische Zivilbevölkerung. Für Öl- und Gaslieferungen, die westliche Staaten ablehnen, wird Russland zumindest mittelfristig andere Abnehmerstaaten finden.
Der Krieg kann nur durch Verhandlungen beendet werden. Dazu bedarf es einer Diplomatie auf höchstem Niveau, denn nur wenn tatsächlich alle Handlungsoptionen gesucht, entwickelt und durchleuchtet werden, kann ein Weg gefunden werden, diesen Angriffskrieg zu beenden.
Der „Wertewesten“
Moralische Überhöhung bzw. Verabsolutierung des westlichen Standpunkts verhindert den unverstellten Blick auf Möglichkeiten, die man zur Beendigung des Krieges ausloten müsste.
Wenn westliche PolitikerInnen wie Außenministerin Baerbock den Krieg zum Kampf des freien Westens gegen die Diktatur und den Autokraten Putin hochstilisieren, wird der Blick auf diplomatische Lösungen, die nie von einem verabsolutierten moralischen Standpunkt Ausgang nehmen können, verstellt. Sie blenden nicht nur die völkerrechtswidrigen Kriege der Natostaaten insbesondere der USA, wie z. B. im Irak, in Jugoslawien oder Libyen aus, sondern auch die Schritte, die zur Eskalation zwischen Russland und der Nato beigetragen haben. Der Westen und die Nato haben zwar diesen Krieg nicht begonnen, aber an der Eskalation waren sie durch die Nato-Erweiterungen und die Hochrüstung der Ukraine maßgeblich mit beteiligt.
Die Empörung über den russischen Angriffskrieg ist gerechtfertigt. Moralische Empörung ist aber noch keine Politik und sie zeigt auch keinen Lösungsweg für die Beendigung des Krieges. Von den verantwortlichen Spitzenpolitiker:innen im Westen muss man erwarten können, dass sie in diesem Konflikt nicht in der Position des moralisch Überlegenen verharren, die sich nur damit zufrieden geben will, wenn Russland irgendwann aufhört zu kämpfen und klein beigibt, weil es wirtschaftlich so geschwächt ist, oder Putin gar intern gestürzt wird. Das hieße in Kauf zu nehmen, dass sich der Krieg in der Ukraine unter Umständen noch viele Monate, wenn nicht sogar Jahre hinzieht und das Land in Schutt und Asche und einen Friedhof verwandelt wird. Zugleich erhöht sich mit jedem Tag die Gefahr einer Ausweitung des Krieges, denn Kriege entwickeln irgendwann eine Dynamik, die man nicht mehr steuern kann. Vom CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz wurde Anfang März 2022 auch schon eine mögliche Nato-Beteiligung ins Spiel gebracht. Sergej Sumlenny, Leiter der Heinrich-Böll-Stiftung in Kiew von 2015-2021, twitterte sogar: „so the most secure way to get guaranteed peace is to eliminate nuclear Russia. Some nukes can explode, but they will explode anyway ...“1 Sogar ein Atomkrieg wird also in Kauf genommen.
Rüdiger Lüdeking, ehemaliger ständiger Vertreter der Bundesrepublik bei den Vereinten Nationen in New York und später bei der OSZE in Wien, kritisierte Ende Dezember 2021 in der taz die „wertebasierte“ Außenpolitik:
„Die Außenpolitik der neuen Bundesregierung scheint im Wesentlichen durch moralische Entrüstung über das Regime Putin geprägt zu sein. Anstatt sich nachhaltig für eine Deeskalierung und Verhandlungen mit Russland einzusetzen, beschäftigt sie sich intern offenbar vornehmlich mit der Frage, ob unter den obwaltenden Umständen die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 überhaupt erfolgen darf. Am Rande sei erwähnt, dass mögliche russische Gegenmaßnahmen wie der Stopp von Energielieferungen völlig unbeachtet bleiben. Auch die realpolitische Erwägung, dass eine wirtschaftliche Schwächung Russlands sicherheitspolitische Instabilitäten zur Folge haben kann, scheint keine Rolle zu spielen. […]
Die neue Bundesregierung sollte nicht ausschließlich unsere Werte zugrunde legen und dem Wünschbaren nachhängen; sie sollte sich vielmehr an den Realitäten orientieren und sich an den luziden Ausspruch von Egon Bahr erinnern: ‚In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte: Es geht um Interessen von Staaten.‘“2
Als GewerkschafterInnen sollten wir uns immer die Frage stellen, um welche Interessen es geht.
Interessen
Die Interessen der Staatsführungen sind bekanntlich längst nicht die Interessen der Masse der Menschen in diesen Staaten. Marx und Engels nannten den modernen Staat eine wesentlich kapitalistische Maschine, Staat der Kapitalisten, ideellen Gesamtkapitalisten.3 Vor dem Hintergrund der neoliberalen Globalisierung, dem derzeitigen globalen Siegeszug des Kapitalismus, gilt das umso mehr. Die Interessen der Global Player, ob Staaten, Banken oder Konzerne, verschmelzen als wirtschaftliche, geopolitische und (geo-)strategische Kapital-Interessen.
Betrachtet man das unter dem Aspekt andauernder Weltwirtschaftskrisen, unter der Notwendigkeit des Kapitals, dieses zu akkumulieren, müssen wir doch feststellen, dass wir uns in einer weiteren hochexplosiven Phase des Imperialismus befinden.
Das wird beim Studium des imperialen Zerrens um die Ukraine spätestens seit 2014 überdeutlich, wo es schon zu den verschiedensten gewaltsamen Übergriffen kam (Maidan – Krim –Gewerkschaftshaus Odessa – Donbass …).
Unser Interesse als lohnabhängige Menschen weltweit kann nur sein, dass wir diese gewaltsamen Übergriffe abwehren, und zwar egal vonseiten welches Macht- bzw. Kapitalblocks. Wir können uns – was auch Rosa Luxemburg energisch forderte - auf keine der imperialistischen Seiten stellen.
Kriege sind unterm Strich gigantische Kapitalvernichtung. Die Profiteure gefährden nicht ihr Leben und persönliches Wohlbefinden, sie können ihre Ziele aber nur erreichen, wenn sie andere Menschen für sich auf das Schlachtfeld führen.
Wir - die lohnabhängigen Menschen - können nur Erfolg haben, wenn wir politisch streiten, wem die jeweiligen Anteile erwirtschafteter Werte zustehen. Und hier ist die fortschrittlich organisierte Arbeiterbewegung schon immer der Ansicht, sie stehen den Menschen und Gemeinschaften zu, die diese produzieren.
Verhandeln, verhandeln, verhandeln!
Nahezu jeder Mensch weiß: Im atomaren Zeitalter sind Kriege ohnehin nicht zu gewinnen.
Und auch nichtatomare lokale Kriege haben noch nie zu einem „Erfolg“ im Gesamtinteresse der Menschheit geführt, von Vietnam bis Afghanistan, aber unzählige Menschenleben gekostet und unbegreifliches Leid über die Menschen gebracht. Deswegen gilt ausschließlich: Verhandeln, verhandeln, verhandeln, und zwar sofort! Und Schluss mit Waffenlieferungen in Kriegsgebiete! Sie sind Öl ins Feuer des Krieges und ziehen nicht nur seine Beendigung womöglich auf Jahre hinaus, sondern bringen uns immer näher an den Abgrund eines Atomkrieges.
Wir bleiben zusammen mit der übergroßen Mehrheit der diesjährigen OstermarschiererInnen dabei:
Die Waffen nieder!
Stoppt die Gewaltspirale!
Krieg ist keine Lösung.
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1 twitter.com/sumlenny/status/1514786341833175045
2 Rüdiger Lüdeking, „Realpolitik zählt, nicht Werte. Der Westen empört sich moralisch über
Russland. Das ist falsch. Stattdessen sollte man die Sicherheitsinteressen von Präsident Putin
ernst nehmen.“ taz.de/Archiv-Suche/!5817631/
3 Friedrich Engels: Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft. MEW 19, S.222, 1880
Link zum Vortrag von
Prof. Dr. Sabine Schiffer
beim Online-Seminar MEDIENKRITIK der GEW Oberfranken
vom 29. April 2022: https://youtu.be/mWHkxAUZyXo
Ob es um Covid-19, die NATO oder das Klima geht - Desinformationen lauern überall, nicht nur im Internet und in den sog. Social Media.
Kollegin Schiffer zeigt in ihrem Buch "Medienanalyse" (2021), wie die sog.
Media Literacy methodisch und didaktisch vermittelt werden kann.
In ihrem Vortrag stellt sie Analysemethoden anhand aktueller Beispiele vor.
Das fehlende
Zeugnisverweigerungsrecht für Sozialarbeiter*innen verhindert regelmäßig die Thematisierung sensibler Erfahrungen von Klient*innen einerseits und erschüttert im Extremfall die bestehende
professionelle Beziehung nachhaltig“, so Matthias Stein, Sprecher des BfZ...
Näheres zu diesem Thema ist auf der website der GEW Hof-Wunsiedel zu finden
(siehe GEW in Oberfranken)
Eine anonyme Umfrage dazu steht auf der website der GEW Bayern:
https://www.gew-bayern.de/aktuelles/detailseite/umfrage-zum-zeugnisverweigerungsrecht
Traditionelles Bezirkstreffen
der GEW Oberfranken:
Auch im 3G-Herbst 2021 trafen sich
zwei Dutzend Kolleg:innen - diesmal
in der Frankenfarm in Himmelkron
nahe Bayreuth.
Ein Wackelkontakt am Beamer konnte
den Start des halbstündigen Ausschnitts
aus dem hochdekorierten KinoFilm
HERR BACHMANN UND SEINE KLASSE
nur geringfügig verzögern.
Großes Lob gab es in der anschließenden
Aussprache für das außergewöhnliche
Vertrauensverhältnis, das der L aufgebaut
hatte zu seinen S, die in der mittel-
hessischen Kleinstadt über jede Menge
Migrationserfahrungen verfügen.
Herr Bachmann war selbst ein „Wanderer“
zwischen ganz unterschiedlichen beruflichen
Welten: Soziologiestudium, Arbeit als
Steinmetz, Folksängerzeit, erst ab Mitte 40
bog er ab zum L-Pult.
Nun wurde er Filmstar durch die Doku der
Regisseurin Maria Speth, die Herrn
Bachmanns letztes Schuljahr auf fast 3,5h
zusammenschnitt.
„So geht Schule“ hatte die SZ ihre Hymne auf
diesen L überschrieben. Besser getroffen
hätte wohl „So
gelingt der pädagogische
Bezug“. Denn die alltäglichen Anliegen der S
waren für Herrn Bachmann stets wichtiger als
die Vorgaben eines fremdbestimmten
Lehrplans.
Einen Kritikpunkt gab`s nach dem Film:
Alle Gesprächsfäden liefen (zumindest im
35-Min.-Filmausschnitt) beim L zusammen.
Ein paar Kommentare weniger zu
Äußerungen seiner S hätten gut getan.
Angenehme Sonnenstrahlen lockten zum
delikaten Mittagessen in den Restaurant-Hof.
Anschließend erinnerte Peter Weiß an unseren
kürzlich verstorbenen Kollegen Eduard Hertel,
dem in den 1970-ern die Assistentenstelle an
der PH Bayreuth aus parteipolitischen Gründen
weggenommen worden war, der sich gegen mehrere
GG-widrige Berufsverbotsverfahren der bay.
Reg.
wehrte - erfolgreich auch deshalb, weil sich die
Eltern seiner S nachdrücklich für seine Weiterbe-
schäftigung einsetzten. Eduard wurde in den
örtlichen Personalrat im Landkreis Bayreuth
gewählt und engagierte sich zeitlebens im
Naturschutz und als Antifaschist.
„Früher war d`Zukunft a besser“. Dieses Zitat
von Karl Valentin diente als Motto für den
nächsten Abschnitt des Bezirkstreffens.
Dazu lag den TN eine Zusammenstellung aus,
die Kollege Dr. Fritz Reheis zu den Gedanken-
gebäuden von Hegel, Marx, Bloch und Negt
verfasst hatte (Anhang unten).
Kerstin stellte Thesen aus dem Buch von
Rutger Bregmann IM GRUNDE GUT (2019)
vor. „Bregmann weist in seinem Buch an vielen
Beispielen nach, dass der Mensch an sich
besser sei,
als viele Menschen meinen“
(häufiges Narrativ: der Mensch sei schlecht
und misstrauisch und müsse deshalb in
Grenzen gehalten werden). Bregmann
dagegen zeigt auf, dass der Mensch an sich
hilfsbereit und kooperativ ist – weshalb sich
der Homo sapiens gegenüber anderen
Spezies durchgesetzt hätte. Für die Zukunft,
betont Bregman, werden die Menschen
diese Fähigkeiten brauchen, um die großen
Herausforderungen gemeinsam bewältigen
zu können. In „Agora-Schulen“ und anderen
freien Schulen sieht der Autor die Idee
umgesetzt, junge Menschen im Sinne
der Kooperation und in gegenseitiger
Verantwortung zu erziehen.
Nach diesem „sehr viel Hoffnung machenden
Buch und Augenöffner für Pädogogen“
ergänzte Kerstin ihren Beitrag durch eine
Zusammenfassung der „Spiral Dynamics“
der Autoren Don Edward Beck und
Christopher C. Cowan (2021), einem
„durchaus spannendem, aber auch
provozierendem Buch“.
Deren Autoren wollen ähnlich anderen
Entwicklungspsycholog:innen eine
moralische Werteentwicklung entlang
einer Spirale festgestellt haben. Sie gehen
davon aus, dass der Mensch, seine
Institutionen und ganze Gesellschaften
sich entlang dieser Spirale moralisch
ständig weiterentwickeln. Nur in
bestimmten Situationen falle der Mensch
in eine der Vorstufen zurück, um
dann aber in großen Schritten sich weiter
nach vorne zu bewegen, hin zu einem
umfassend denkenden und handelnden
integrativem System.
Im Juli 2020 veröffentlichten
Klaus Schwab und Thierry Malleret
COVID 19: DER GROßE UMBRUCH
(engl. Ausgabe: THE GREAT RESET),
aus dem Willi wesentliche Passagen
zitierte. Seine Interpretation: Schwab
will offenbar in allen politischen Lagern
punkten, indem er behauptet, der
Neoliberalismus habe abgewirtschaftet.
Gleichzeitig hält er den Kapitalismus für
das beste aller Wirtschaftssysteme,
warnt aber vor gewaltsamen Revolutionen,
die bei weiter wachsender Ungleichheit
aufflammen könnten. Über sein Versprechen
„Du wirst nichts besitzen und glücklich sein!“
lässt sich trefflich debattieren.
Andi ergänzte
Abschnitte, in denen Schwab
und Malleret wechseln zwischen Aufrufen für
weltweite Anstrengungen zur Schaffung
einer gerechteren, klimaverträglichen
Wirtschaftsordnung einerseits und
erschreckenden Zukunftsbildern zur steten
Verbindung von Computern und Gehirnen
andererseits - mit dem Ziel permanenter
Kontrolle über Gedanken und Handlungen
möglichst aller Menschen.
Ist das die Aktualisierung von Orwells
1984?
fragten TN. Nun, im Gegensatz zu Orwell
ist Schwab als Gründer des Weltwirtschafts-
forums (WEF) bestens vernetzt mit reichsten
und damit mächtigen Wirtschaftslenker:innen
sowie mit Politiker:innen und
Medienakteur:innen der höchsten
Ebenen.
Durch seine „Schule“ gingen z.B.
Emanuel Macron, Angela Merkel, Tony Blair,
Bill Gates, Steve Balmer (microsoft),
David Kamenetzky (Goldman Sachs),
Jost Massenberg (Thyssen Krupp),
Stefan Quant (BMW), Mathias Döpfner (Springer)
Sandra Maischberger, Anderson Cooper (CNN)…
In seiner Nachwuchsorganisation der YOUNG
GLOBAL LEADERS befinden sich aktuell z.B.
Jens Spahn und Annalena Baerbock.
Wenn Geld- und Medienmacht gemeinsam
agieren, lassen sich wie aus dem Nichts
Menschen nach oben schieben oder man
lässt sie überraschend „abstürzen“. Steuerräder
werden ihnen in die Hand gegeben oder aus
der Hand genommen. Klaus Schwab selbst
hat dabei vermutlich nicht
die Rolle des
Dirigenten inne. Als Gastgeber bei den jährlichen
Treffen des world economic forum ist er
jedoch
mehr als bloße Randfigur. Es könnte sein, dass
er in seinem und Mallerets Buch ein bisschen
mehr ausplauderte, als seine WEF-Gäste dies
goutieren. Nun, wie werden es ihm verzeihen,
solange sich Wirtschaft und Gesellschaft in
ihrem Sinn
verändern.
Nach der Kaffeepause setzte sich eine
Gruppe
von Kolleg:innen zusammen, um Ideen für kurze
Filmchen zu sammeln. Vorgeschlagen wurden
z.B. Aufnahmen von best-practice-Beispielen,
von selbst
aufgeführten Straßentheaterszenen
oder einfach von aussagekräftigen Passagen
aus Artikeln und Büchern. Die TN waren sich
dabei einig: Nichts muss, alles kann -
besonders das, was mehr Energie schenkt
als es Anstrengung kostet.
Die Mehrzahl der TN entschied
sich für die
parallel laufende handpan-Gruppe unter der
Anleitung von Petra Eisend
(http://www.drum-experience.de)
Ohne ihre Tipps wäre es kaum möglich gewesen,
dem originellen Instrument wohlklingende Töne
zu entlocken. Am Ende der Tagung gestaltete
Frau Eisend einen wunderbaren Ausklang auf
ihrer handpan.
Hier der Anhang zum Bericht:
Dr.
Fritz Reheis
für
die Bezirkskonferenz der GEW Oberfranken 2021:
Besser oder
schlechter?
Alles eine Frage der Dialektik!
Weder der Mensch noch die Gesellschaft werden mit der Zeit immer besser oder schlechter. Es kommt auf die Wechselwirkungen zwischen Mensch und Gesellschaft an. Diese Wechselwirkungen folgen dem Muster These, Antithese, Synthese: der Mensch macht Erfahrungen, Gegenerfahrungen, lernt aus beiden und wird dadurch klüger. Ursprung und Antrieb der Entwicklung ist die dialektische Selbstbewusstwerdung des Weltgeistes, Ziel und Resultat ist die Versöhnung von Widersprüchen (Liebesfähigkeit ermöglicht Liebeserfahrung, diese steigert wiederum die Liebesfähigkeit) und der Zuwachs an Freiheit (Freiheitsfähigkeit ermöglicht Freiheitserfahrung, diese steigert wiederum die Freiheitsfähigkeit). Das ist der Kern der von Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831) vertretene dialektische Auffassung von Entwicklung.
Karl Marx (1818-1883) greift den dialektischen Entwicklungsgedanken auf, ersetzt aber den
Weltgeist durch die Arbeit bzw. Produktion, durch die der Mensch die Mittel für sein Leben und damit die Gesellschaft und deren Widersprüche erst hervorbringt. Wie Hegel so ist auch Marx davon
überzeugt, dass die dialektische Entwicklung letztendlich zur Aufhebung von Widersprüchen und zur Befreiung des Menschen von menschengemachten Zwängen führt.
Was den Kapitalismus betrifft, so kommt es Marx zufolge darauf an, den spezifischen Widerspruch der Produktion in dieser Wirtschaftsordnung zu verstehen. Der Widerspruch des Kapitalismus besteht für
Marx darin, dass sich die Produktion im Zusammenwirken der Menschen (Kooperation, Entwicklung der Technik) vollzieht, die Resultate der Produktion (also die Produkte bzw. Werte) jedoch privat
angeeignet werden (und die Produktion auch privat geplant wird). Erst wenn dieser Widerspruch zwischen der Gesellschaftlichkeit der Produktivkräfte und der Privatheit der Produktionsverhältnisse
stark genug ausgeprägt und als solcher allgemein bewusst geworden ist, kann er nach Marx überwunden werden. Dann erst sprengen die kapitalistischen Produktivkräfte die Fesseln der kapitalistischen
Produktionsverhältnisse – und andere Verhältnisse können an ihre Stelle treten.
Obwohl Ernst Bloch (1885-1977) diese Analyse grundsätzlich teilt, interessiert er sich stärker
als Marx für das Bewusstsein. Bloch ist davon überzeugt, dass das Bewusstsein nicht nur das bewusste Sein des Menschen ist, sondern neben der Widerspiegelung der Realität auch einen Überschuss in
sich trägt: einen Vorschein jenes Lebens, das nach dem Ende des Kapitalismus möglich wird. Dazu gehören Vorstellungen und Gefühle wie Heimat, Geborgenheit, Wärme und Freiheit.
Dieser Vorschein (das Noch-nicht-Gewordene) zeigt sich nach Bloch in der Religion, in der Kunst, in Tagträumen und generell in Utopien. Utopien sind für ihn wichtige historische Triebkräfte der
Befreiung von den Zwängen des Kapitalismus. Bloch kritisiert jedoch abstrakte Utopien, die ohne Bezug zur Analyse des Kapitalismus formuliert und vertreten werden. Nur eine „konkrete Utopie“ kann zur
Grundlage des „Prinzips Hoffnung“ werden.
Oskar Negt (geb. 1934) knüpft an Bloch an, indem er die wachsende Bedeutung von Utopien in unserer Gegenwart betont: Je perspektivloser die Realität, desto realistischer die Utopien. Wichtig ist Negt zufolge, die „soziologische Phantasie“ zu entfalten und den Möglichkeitssinn zu beflügeln – eine zutiefst pädagogische Aufgabe. Sie muss an den aktuellen Krisen (NB: auch Pandemien gehören dazu!) ansetzen, die vom Menschen gemachten Ursachen herausarbeiten (Widerspruch zwischen Gesellschaftlichkeit und Privatheit) und ein Bewusstsein dafür schaffen, dass sie überwunden werden können.